Südkurier: Radfahrer schwelgen in Erinnerung

Velo-Club Konstanz bekommt alte Bilder von der Reichenau - Autogramm für den Präsidenten
Südkurier, Ausgabe vom 07.01.2009

Das hätte sich Thomas Keck nie träumen lassen: Nach vielen Jahren als Radfahrer hat er nun sein erstes persönliches Autogramm erhalten. Der Präsident des Velo- und Motorfahrer-Clubs Konstanz freut sich aber nicht über die Unterschrift von Lance Armstrong oder Erik Zabel. Vielmehr hat sich Gerda Speh, geborene Hagen, auf einem alten Foto aus den Glanzzeiten des Vereins neben einem Kussmund verewigt: „Für Thomas“ ist darauf zu lesen. Die Bilder wurden 1950 auf der Reichenauer Ergat bei einer Schauvorführung aufgenommen und jüngst dem Club übergeben.

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Niemand im Verein wusste von den gelungenen Aufnahmen. Sie zeigen die Akteure des Velo-Clubs beim Reigenfahren (sechs Frauen) und beim Radball. „Damals waren wir ziemlich führend in der Region“, berichtet der Präsident. Die Konstanzer hatten die Bande für das kleine Spielfeld und die Tore auf die Insel gebracht. Heute pflegen die Reichenauer den Kunstradsport, ihre Konstanzer Nachbarn haben sich neben dem Radball dem Radrenn- und dem Breitensport verschrieben.

Die Veranstaltung war längst aus dem Gedächtnis, als eines Tages Christof Häringer, der erste Vorsitzende des Radfahrervereins Georgia Reichenau bei Thomas Keck auftauchte: „Er drückt mir die Bilder in die Hand und sagt: Schau mal, was wir gefunden haben!“ Das Hallo war groß, als die Aufnahmen in einer Vorstandssitzung des Konstanzer Velo-Clubs kursierten. Thomas Keck imponierte vor allem eine Aufnahme mit der eleganten Kunstradfahrerin Gerda Speh. Das inspirierte Heiner Knittel zu einem kleinen Spaß: Er forschte nach ihr – und fand sie in Allensbach. Knittel bat sie um ein Autogramm für seinen Vereinspräsidenten, den Kussmund gab's gratis dazu.

Mittlerweile haben sich etliche Mitglieder in geselliger Runde getroffen, um aus alten Zeiten zu erzählen. Gerda Speh war dabei: „Das war ein witziger Abend.“ Die 68-Jährige, die lange Jahre im Raum Böblingen gelebt hat, ist seit drei Jahren wieder am See zuhause. In Allensbach fühle sie sich sehr wohl. Die frühere Bodenseemeisterin im Kunstradsport genießt die Natur und hält sich mit Bewegung jung: „Heute fahre ich öfters mit meinem Velo auf die Reichenau.“

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Gerda Speh hatte einen Überraschungsgast dabei: Irmgard Hagen (im Bild links), ihre zwei Jahre jüngere Schwester. Sie war an jenem denkwürdigen Tag auf der Ergat ebenfalls als Aktive dabei. Heute lebt sie in den USA, in der Stadt Milwaukee (Bundesstaat Wisconsin). „Aber ich komme jedes Jahr an den Bodensee, meine Schwester und ich machen auch zusammen Urlaub“, erzählte sie. Ihre Familie hat sie nicht losgelassen und Konstanz auch nicht ganz: „An Fasnacht bin ich immer dabei.“ Irmgard Hagen war aus Interesse an Sprachen als 17-Jährige zunächst zweieinhalb Jahre nach Frankreich gegangen und dann zwei Jahre nach New York. Schließlich lebte sie in Kalifornien und war zuletzt 20 Jahre lang Lehrerin in Milwaukee, jetzt ist sie pensioniert.

Thomas Keck will das gesellige Vereinsleben etwas aktivieren. Der fröhliche Bilderabend ist Ansporn für ihn, die älteren Mitglieder wieder stärker einzubeziehen. So war der heute 84 Jahre alte ehemalige Radballer Otto Fichter beim Treffen dabei und hat viele alte Gesichter auf den Bildern erkannt. „Im März wollen wir die älteren Mitglieder zusammentrommeln und uns noch einmal treffen“, sagt Gerda Speh. Vielleicht tauchen in den kommenden Wochen sogar weitere Bilder auf, wenn alte Konstanzer von der Geschichte lesen – und vielleicht bekommt Thomas Keck ja noch ein weiteres Autogramm.